Es ist eine brenzlige Situation für den Piloten des gelben ADAC-Rettungshubschraubers. Eben noch hat er versucht, sein Fluggerät neben einer Landstraße zu landen, auf der es einen schweren Unfall gegeben hat. Plötzlich fliegen in Cockpit die Sicherungen heraus, ihm bleiben nur Augenblicke, um seinen Hubschrauber wieder in den Griff zu bekommen.
Eine reale Gefahr besteht allerdings nicht, denn das bedrohliche Szenario wird im Flugsimulator der HEMS Academy auf dem Flughafen Hangelar bei Bonn durchgespielt. HEMS steht für «Helicopter Emergency Medical Service». Das Tochterunternehmen des ADAC betreibt dort nach eigenen Angaben das weltweit erste gemeinsame Trainingszentrum für Hubschrauberpiloten, Notärzte und Rettungsassistenten im Luftrettungsdienst.
Seit dem 23. März ist die Anlage vom Luftfahrt-Bundesamt offiziell zertifiziert, seitdem haben dort bereits acht Piloten ihre gesetzlich vorgeschriebenen halbjährlichen Überprüfungsflüge absolviert.
Herzstück der 12,5 Millionen Euro teuren Einrichtung sind die zwei Flugsimulatoren, von denen einer derzeit in Betrieb ist. Ihre Cockpits entsprechen denen der weit verbreiteten Rettungshubschrauber Eurocopter 145 und 135. 750 Euro kostet eine Stunde im Simulator, ungefähr ein Drittel bis die Hälfte einer echten Flugstunde, erklärt Betriebsleiter Stephan Brade. »Zudem können wir so Szenarien wie Rotorausfälle oder Triebwerksstörungen üben, was im realen Flugbetrieb aus Sicherheitsgründen unmöglich ist«, erläutert Brade, der selbst Rettungsflieger mit über 3500 Flugstunden ist.
Zehn Hochleistungsprojektoren ermöglichen es, im Cockpit alle Wetter- und Sichtverhältnisse realistisch darzustellen. In der Datenbank stehen Landschafts- und Umgebungsszenarien aus ganz Deutschland zur Verfügung. Das Cockpit ist auf einer Bewegungsplattform montiert, deren sechs Säulen alle vom Piloten durchgeführten Flugbewegungen ausführen.
Für die Herausforderungen durch Pannen und Störungen sorgt ein Trainer per Mausklick am Computer. Eine Kamera beobachtet dabei, wie der Pilot mit dem Stress umgeht. «Zwischen drei und fünf Sekunden braucht ein Pilot, um auf eine unerwartete Störung zu reagieren», weiß Brade: »Je kürzer die Reaktionszeit, desto größer die Chancen, dass der Zwischenfall glimpflich ausgeht«.
Die meisten Rettungsflieger kommen von der Bundeswehr und dem Bundesgrenzschutz. Sie sind es daher gewohnt, mit ihren Hubschraubern auch im freien Gelände zu landen. Die Verantwortung, ein Leben retten zu müssen, bedeutet aber auch für sie eine besondere Herausforderung.
Während die Piloten im Simulator üben, sind einige Meter weiter Rettungsassistenten und Notärzte im gelben Hubschrauber gefordert. Es handelt sich um den hölzernen Nachbau eines Rettungshubschraubers in Originalgröße, versehen mit derselben medizinischen Ausstattung wie ein echter Rettungsflieger. Hier soll die medizinische Crew lernen, auf engstem Raum Patienten zu versorgen. Lautsprecher sorgen für echte Fluggeräusche, dazu müssen die Notärzte immer wieder auf Hinweise des Piloten reagieren. Eine lebensgroße Puppe dient als Patient, an der nahezu sämtliche medizinische Probleme simuliert werden können. Diese Einheit kann auch direkt mit dem Flugsimulator vernetzt werden.
»Den Notärzten muss bewusst sein, dass sie ihre Patienten optimal für den Flug stabilisieren müssen. Denn wenn der Hubschrauber einmal fliegt, haben sie nur noch wenige Möglichkeiten, einzugreifen«, sagt Brade.
Zum Trainingszentrum gehört auch ein Schockraum, in dem im Krankenhaus eingelieferte Notfallpatienten erstversorgt werden. Hier wird die Übergabe des Patienten von der Hubschrauberbesatzung zum Klinikteam geübt. «40 Prozent der Fehler bei der Notfallversorgung werden hier gemacht», verrät Brade, etwa wenn der Notarzt das Klinikteam nicht vollständig über von ihm schon verabreichte Medikamente informiert.
Das Interesse an dem Trainingszentrum ist groß, berichtet HEMS-Managerin Sabine Teismann: »Wir haben auch bereits Anfragen von der Bundeswehr und den amerikanischen Streitkräften.“ Zunächst sollen aber die eigenen Luftrettungscrews des ADAC auf der Anlage geschult werden.
tf/mei/ddp
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