[Feature] Achtung der Winter kommt: Bei Nebel werden Entfernungen falsch eingeschätzt

Köln (ddp). Ausgebrannte Fahrzeugwracks, ineinander verkeilte Autos – solche Bilder schaffen es bis in die TV-Nachrichtensendungen. Tatsächlich sind Nebelunfälle oft spektakuläre Ereignisse. Doch statistisch betrachtet geschehen sie nur sehr selten, haben nur einen Anteil von etwa 0,2 Prozent an allen Unfällen.

An der Unwissenheit der Fahrer kann es nicht liegen. Warnungen und Tipps zum Verhalten im Nebel gibt es genügend. Diese Handlungsempfehlungen gehen allerdings davon aus, dass der Fahrer in der Lage ist, die Sichtweite zutreffend zu bestimmen, das eigene Tempo sowie den Abstand richtig einzuschätzen. Doch hier hakt es.

Untersuchungen haben nachgewiesen, dass die Wahrnehmung im Nebel deutlich leidet. Nebel besteht aus Millionen kleinster Wassertropfen, die jeden Lichtstrahl brechen und zerstreuen. Die Sichtweite des Fahrers wird dadurch stark eingeschränkt. Bei einer Untersuchung des Phänomens der Nebelunfälle kam der Psychologe Peter Schönbach zu dem Ergebnis, dass zu schnelles Fahren mit zu geringem Abstand zwar zumeist die Ursache für Unfälle sei, doch sei dies die Folge komplexer kognitiver Prozesse. Im Klartext: «Entfernungen werden falsch eingeschätzt, Gegenstände erscheinen weiter entfernt. Dabei werden Objekte bei Nebel um 100 Prozent weiter entfernt wahrgenommen als bei einwandfreier Sicht. Mithin ist vielen Fahrern diese Sinnestäuschung nicht bewusst. Sie halten deshalb zu wenig Abstand», sagt der AvD-Verkehrssoziologe Bastian Roet.

Im vergangenen Jahr ereigneten sich laut Statistik bei Nebel fast 500 schwere Unfälle mit Personenschaden auf deutschen Straßen. Hauptunfallursachen sind zu hohes Tempo und zu geringe Distanz zum Vordermann. «Immer wieder fahren viele Autofahrer bei Nebel zu schnell, halten zu wenig Sicherheitsabstand zum Vordermann», kritisiert Hans-Ulrich Sander, Kraftfahrtexperte des TÜV Rheinland in Köln. «Liegt die Sicht unter 50 Metern, sind 50 km/h das absolute Maximum – selbst auf der Autobahn», betont Sander. «Bei noch schlechterer Sicht heißt es: Geschwindigkeit weiter drosseln und ausreichend Abstand halten.»

Dabei riskiert man eine Menge, wenn man zu spät vom Gas geht: «Im besten Fall droht Unfallverursachern ein Ordnungswidrigkeitenverfahren. Schlimmstenfalls», mahnt der auf Verkehrsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Michael Winter, «macht man sich einer Verkehrsstraftat schuldig». Erkennt die Versicherung grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz, ist der Vollkaskoschutz futsch. Selbst die Haftpflicht kann sich die Unfallschäden später vom Verursacher ersetzen lassen.

Die Leitpfosten am Straßenrand bieten eine Hilfestellung, um die tatsächliche Sichtweite einzuschätzen. Sie stehen immer 50 Meter voneinander entfernt. Ist der nächste Pfosten nicht mehr zu erkennen, helfen die Fahrbahnmarkierungen in der der Straßenmitte. Auf Bundesstraßen beträgt der Abstand vom Beginn einer Markierung zur nächsten im Allgemeinen zwölf Meter, auf Autobahnen 18 Meter. Der Experte des TÜV Rheinland warnt davor, sich an den Rücklichtern des Vordermanns zu orientieren. «Das verleitet eher dazu, den Abstand zum nächsten Fahrzeug bei dichtem Nebel zu verkürzen als zu verlängern. Und das provoziert Auffahrunfälle», warnt Sander.

Allgemein gilt: Bei Nebel und schlechter Sicht auch tagsüber das Abblendlicht einschalten, und bei einer Sichtweite unter 150 Metern Nebelschweinwerfer zuschalten. Beim Einsatz der Nebelschlussleuchte gelten allerdings besondere Vorschriften. Sie darf erst bei einer Sichtweite von weniger als 50 Metern und mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h verwendet werden. «Die hohe Lichtstärke blendet sonst andere Verkehrsteilnehmer. Deshalb sollte die Nebelschlussleuchte im Stau oder bei nebelfreien Abschnitten ausgeschaltet werden», rät Hans-Ulrich Sander. Ein weiterer Tipp: Regelmäßig die Scheibenwischer betätigen, um Wassertropfen zu entfernen, die sich durch den Nebel bilden.

Doch nicht nur Einschränkungen der Sicht machen Autofahrern zu schaffen. «Nebel macht auch die Fahrbahn rutschiger», schildert Albert Trautzburg vom AvD seine Erfahrungen. So geschehen beispielsweise kürzlich im Kreis Neu-Ulm. Da wurde der Besitzer eines Fachwerkhauses von einem lauten Krach aufgeschreckt: Ein älterer Mercedes war auf der offenbar nebelfeuchten Straße ins Schleudern geraten und schließlich mit der Rückseite gegen die Ecke des Fachwerkhauses gekracht. Ein Rettungshubschrauber konnte dem schwerverletzten Fahrer nicht helfen. Laut Polizei behinderte Nebel seinen Einsatz.

–Von ddp-Korrespondent Norbert Michulsky–

Posted on Okt. 28, 2009 in MotorBlog News, Sicherheit

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