Mercedes wachsen Flügel – besser gesagt der Performance-Tochter AMG. Denn der neue SLS ist mit den elegant nach oben schwingenden Türen nicht nur eine Reminiszenz an den einstigen 300 SL. Er ist insbesondere die erste komplett eigenständige Fahrzeugentwicklung des in Affalterbach ansässigen Unternehmens.
In nur drei Jahren hat das Team von AMG-Chef Volker Mornhinweg den Super-Sportwagen entwickelt. Von kommenden März an werden seine Flügeltüren immer wieder für staunende Blicke sorgen – da braucht man kein Prophet zu sein. Und doch: Selbst die Macher des rassigen Zweisitzers wie Projektleiter Christoph Jung, der Motorenexperte Friedrich Eichler oder Tobias Moers als Gesamtfahrzeugentwickler sind sehr gespannt darauf, wie die Kundschaft auf den Supersportler reagieren wird. Optik, Leistungsentfaltung, die Abstimmung des Fahrwerks, des Getriebes oder der Bremseingriffe – all das soll das gesamte Können der Autoschmiede auf den Punkt bringen und dabei keine Wünsche mehr offen lassen.
Ein ehrgeiziges Ziel. Doch schon nach den wenigen Kilometern mit dem Mercedes SLS AMG wird klar: Ziel erreicht. Man mag zu Fahrzeugen dieser Gattung stehen, wie man möchte – mit der Form des neuen 4,64 Meter langen und 1,94 Meter breiten Sternenträgers hat AMG den unverwechselbaren Charakter eines Sportwagens voll getroffen. Mit der langen Schnauze, dem weit hinten liegenden Passagierabteil, den markanten Luftöffnungen und dem kurzen Heck sieht der komplett in Leichtbauweise gefertigte Sportler (1620 Kilo) einfach klasse aus. Die weit nach oben schwingenden Flügeltüren sind zudem der Hingucker schlechthin. Praktisch sind sie noch dazu, da sie zum Öffnen seitlich auf jeden Fall weniger Platz benötigen als herkömmliche Türen. Nach oben genügt laut Mercedes sogar die Höhe handelsüblicher Garagen. Den richtigen Schwung beim Einsteigen hat man schnell heraus – einzig beim Aussteigen läuft man als Ungeübter Gefahr, das Maß zu unterschätzen und kann dann schmerzhaft mit der Innenverkleidung zu kollidieren.
Vom Fahrerplatz aus wird die weit nach vorne reichende Motorhaube zwar etwas unübersichtlich – dafür entschädigt das ansonsten tadellose Raumgefühl. Selbst groß gewachsene Personen müssen dank der geschickten Auswölbung der Türen nicht um ihre Kopffreiheit fürchten. Leder und Aluminium dominieren die Szenerie. Die bequemen Sportsitze geben dank ausgeprägten Seitenwangen besten Halt. Die Anordnung der Instrumente sowohl im Cockpit als auch auf der breiten Mittelkonsole erklärt sich wie von selbst. Der Fahrer soll und kann sich wie der Pilot eines Flugzeuges fühlen.
Statt pfeifender Turbinen erwachen beim SLS auf Fingerdruck jedoch die 571 PS des 6,3-Liter-Achtzylinders mit einem tiefen, angenehmen Grollen zum Leben – ein deutliches Zeichen für das Leistungsangebot, das hier bereitsteht. Das maximale Drehmoment von 650 Newtonmetern ist bei 4750 Umdrehungen erreicht. Die Beschleunigungszeit von 0 auf Tempo 100 liegt bei 3,8 Sekunden, auf 200 in 11,7 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit ist bei 317 Stundenkilometern abgeregelt (Werksangaben). Damit überflügelt er zwei seiner größten Wettbewerber, den Porsche 911 Turbo und den Audi R8 V10, ganz leicht: Deren Tachonadeln erreichen ihren höchsten Stand bei 312 beziehungsweise 316.
Trotz all der schier unerschöpflichen Kraft kommt in keinem Moment Nervosität an Bord des SLS auf. Gelassen, handlich und leicht lässt sich der muskulöse Sportler im Alltag durch den Verkehr lenken und in Parklücken manövrieren. Voll auf der Höhe zeigt sich der Zweisitzer, wenn er auf der abgesperrten Rennstrecke zur Höchstleistung aufläuft. Kaum etwas, das den Wagen aus der Ruhe bringen kann. Das Fahrverhalten ist großartig. Grund dafür ist unter anderem die Gewichtsverteilung von 47 zu 53 Prozent zwischen Front- und Hinterachse. Angesichts der hoch festen und verwindungssteifen Karosserie, des präzisen Einlenkverhaltens und der gelungenen Abstimmung des Fahrwerks schwärmt der mehrfache DTM-Sieger Bernd Schneider, der maßgeblich an der Entwicklung der Fahrdynamik beteiligt war, von einem «absolut gelungenen Gesamtpaket». Das trifft seiner Meinung nach auch für das ebenfalls neu entwickelte Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe zu. Ohne die geringste Zugkraftunterbrechung lenkt es die Kräfte an die Hinterachse. Zudem bietet es dem Fahrer vier voreingestellte Schaltprogramme an. Die Palette reicht von eher komfortorientiert über zwei Sportprogramme bis zum manuellen Schaltmodus über die Paddel am Lenkrad. Ebenfalls neu im Angebot sind die eigens für den SLS entwickelten Keramikbremsen für etwa 11 500 Euro, die zum Grundpreis von 177 310 Euro hinzuaddiert werden müssen. Auch dieser überflügelt die bereits erwähnten beiden Wettbewerber um etwas mehr als 30 000 Euro.
ercedes SLS AMG