shaping mobile life cebit
…oder doch nur Mangelverwaltung 2.0?

Obwohl sich die CeBIT natürlich insgesamt als Innovationsschau versteht, wird es separat noch eine eigene Innovationsschau Code_n 12 geben, veranstaltet vom IT-Dienstleister GFT aus Stuttgart.

Der von GFT ausgelobte Wettbewerb steht unter dem Motto Shaping mobile life, will also Lösungen für das mobile Leben mit digitaler Infrastruktur ermitteln und vorstellen. 50 Finalisten werden zusammengerufen und aus ihnen die Gewinner gekürt. Um auf sich aufmerksam zu machen, wird der Wettbewerb in einer auch ästhetisch innovativen Szenerie stattfinden. „Radikal neues Denken braucht einen radikal anderen Auftritt“, ist man überzeugt und verpflichtete den Bildenden Künstler Tobias Rehberger und den Architekten und Designer Jürgen Mayer H., eine „spektakuläre Landschaft für Interaktion und Inspiration“ zu entwickeln.

Einen ähnlichen „Innovationsschub“ hat der Branchenverband Bitkom angestoßen, mit dem „Urban solutions pitch“, was man früher vielleicht als Wettbewerb für städtische Digitalinfrastruktur bezeichnet hätte. Genau genommen sind es Selbstverständlichkeiten, die hier als vermeintliche Innovationen vorgetragen werden, Konzepte, die für die betreffenden Infrastrukturinhaber obligatorisch sein und längst umgesetzt worden sein müssten.

Bei der Cloud Power für die holländische Insel Texel handelt es sich einfach um eine „intelligente“ Stromlastverteilung mit „intelligenten“ Stromzählern für eine Gemeinde. Hierzulande sind bekanntermaßen die Stromversorger so intelligent, ihre Smart Meters nur gegen teures Geld zu verkaufen, obwohl die Strommessung und Lastverteilung immer schon zur Erbringungsleistung gehört hat.

Die Initiative Ladenetz.de aus Aachen ist eine Stadtwerke-Kooperation mit dem Ziel, durch „Roaming“-Abkommen kommunale Ladestationen universell nutzbar zu machen. Aha – die Politik gibt E-Mobilität als Infrastrukturauftrag vor, und unversehens stellt man fest, dass sich unterschiedliche Energieanbieter auf den selben Stecker und Abrechnungsmodalitäten einigen müssen.

Noch krasser das Beispiel Little Bird aus Berlin. Mit Vögelchen sind hier die Kleinkinder gemeint, für die Kita-Plätze gesucht werden. Offensichtlich sind die kommunalen und sonstigen Träger nicht in der Lage, ihre Angebote sinnvoll nachfragbar zu präsentieren, so dass erst diese Mütterinitiative in diesem „Leuchtturmprojekt“ auf die Aufgabe aufmerksam machen muss.

Nicht ganz neu ist die Mitfahrzentrale flinc aus Ludwigshafen, die den seit vielen Jahren eingespielten Vermittlungsprozess für Mitfahrgelegenheiten auf Smartphone-Plattformen übertragen hat. In jeder Hinsicht verblüffend ist ein anderes Verkehrsprojekt, Road Intersection Optimization RIO, von der Karlsruher Firme PTV. Nichts anderes als eine Ampelsteuerung liegt hier vor, mit einem etwas weiter als bis zur nächsten Ampel reichenden Berechnungsgebiet, weil ja auch die Verkehrsteilnehmer üblicherweise weiter als nur von einer zur nächsten Ampel fahren.

Eine „gute und faire Verteilung der Verkehrsströme“, so der Projekttext, sollte aber schon seit Jahrzehnten Ziel innerstädtischer Verkehrsplanung (gewesen) sein – doch wie man weiss und jeden Tag buchstäblich neu erfahren kann, haben sich die Städte nicht nur nicht darum bemüht, sondern im Gegenteil seit den 80er Jahren sehr viel Geld in Verkehrsbehinderungsinfrastrukturen gesteckt und werden auch eine Verkehrsflussoptimierung wie RIO zu ignorieren und torpedieren wissen. So wird man also diese Innovationsschau nicht ohne den Eindruck von Markt- und Staatsversagen durchstreifen.

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Die Cebit 2012 findet vom 6. März bis 10. März 2011 in Hannover statt.

Alle Artikel der Cebit-Vorschau-Serie von Dr. Gerhard Bachleitner findet ihr hier bei TechFieber.

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Foto: pre-view-online.de