Das wüßte man gern, als Branchenvertreter und auch als Zuschauer, der vielleicht vor der Wahl eines neuen Fernsehgerätes steht. Die Geräteindustrie versteht es, die Einstiegsschwelle so niedrig wie möglich zu halten und hat binnen kurzem ein beeindruckendes Sortiment aus dem Boden gestampft. Allein Samsung bietet derzeit 45 3-D-fähige Modelle an, wie Samsung-Produktmanager Dr. André Schneider stolz auf dem 3-D-Symposium der Deutschen TV-Plattform vortrug, das Anfang November in Berlin stattfand. Von Samsung stammte auch ein Einstiegsmodell, das ein große Elektronikmarktkette kürzlich zum Kampfpreis von 700 Euro anbot: ein 50 Zoll Plasma. Wer da keine leuchtenden Augen bekäme – der hat weitergelesen und die Anzeige bei „HD-ready“ weggelegt.
Ein solches Mißverhältnis tut weh – aber Schneider betonte, daß es wichtig sei, auch im Einstiegssegment 3-D anzubieten. Der Hintergrund ist, daß 3-D beim jetzigen „frame-kompatiblen“ Verfahren im Endgerät sehr billig zu realisieren ist – offenbar billiger als Full-HD gegenüber der kleinen HD-Auflösung.
Diese Konstellation wird auch aus einem anderen Blickwinkel erklärbar, für den Thomas Wrede von Astra zwei wichtige Zahlen anführte: „2015 werden fast 25 Mill. TV-Haushalte einen 3D-fähigen Flachbildschirm besitzen, 7 Mill. dieser Haushalte werden damit auch 3D-Inhalte anschauen.“ Daraus kann man schließen: die Mehrzahl der Käufer wird ihren Fernseher nicht wegen 3-D kaufen.
Wenn man nun aber 3-D sozusagen mit dazu bekommt, was bekommt man damit? Boshaft gesagt: die Nötigung, sich einen Bluray-Spieler und 3-D-Blurays kaufen zu dürfen und/oder seine Satellitenschüssel auf zwei neue Positionen ausrichten zu müssen (bei Astra und Eutelsat). Dies wurde auf dem Symposium nicht so deutlich formuliert, aber Wrede machte doch klar, daß wir uns derzeit erst in der ersten Phase der 3-D-Einführung befinden. Gesendet wird das Stereobild ja, anamorphotisch gestaucht, also auflösungsreduziert, auf der Fläche eines flachen HD-Bildes. Dies wird auch noch im kommenden Jahr so sein, währenddessen man an der Normierung des Nachfolgeverfahrens arbeiten wird. Dies ist dann bildsequentiell, oder, wie man es auch nennt, „dienstkompatibel“. Links und Rechts werden nacheinander als Vollbilder übertragen, ein Auge dem „Mono“-Zuschauer überlassen, das andere Auge für den Stereozuschauer dekodiert, und mit beiden Signalen wird die Brille synchronisiert. Für dieses Verfahren wird die Norm erst 2012 erwartet, und dafür werden natürlich neue Decoder oder Fernsehgeräte erforderlich sein. Astra schlug bereits ein einheitliches Logo vor.
Wie wirkt 3-D?
Wissenschaftliche Studien zur Akzeptanz von 3-D im Kino wurden an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, Potsdam-Babelsberg, durchgeführt und hier von Jesko Jockenhövel referiert. Die Ergebnisse sind recht erfreulich, d.h. die Akzeptanz räumlicher Filme ist sehr gut. Ob diese Resultate 1:1 auf das Fernsehen übertragbar sind, steht allerdings dahin. Man bemüht sich durchaus, aus der Akzeptanz im Kino den Markterfolg beim Fernsehen abzuleiten. „12,5 % gaben an, dass sie es in Betracht ziehen in den nächsten 12 Monaten ein 3D TV-Gerät zu kaufen“, lautet beispielsweise eine Aussage in einer der Studien. In einer anderen Studie der International 3D Society mit etwa 1000 Befragten vom Oktober 2010 wurde u.a. ermittelt: „Von denen, die schon einen 3D-Film gesehen haben, sagen 66 %, dass 3D TV besser sein wird“ und „74 % denken, dass ein 3D-Film von heute besser ist als ein 2D-Film“.
Trotzdem besteht kein Zweifel, daß 3-D von allen Beteiligten erst noch gelernt werden muß, von den Regisseuren, den Produzenten, den Vertrieben, aber auch den Zuschauern. Die Produzenten sind gerade dabei, ihre Hausaufgaben zu machen. Sony berichtete auf dem Symposium von den Erfahrungen, die man bei der 3-D-Übertragung von der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika gemacht hat. Sie decken sich mit den von anderen Produktionen mitgeteilten Empfehlungen: langsamere und weniger Schnitte, Vermeidung stärkerer Unterschiede in der Raumtiefe, großräumiger Bildaufbau.
3-D auf der Scheibe
Daß der Vertrieb auch nachlernen muß, führte Michael Zink von Technicolor als Bluray-Vertriebsdienstleister vor. Seine Hoffnung, 3-D könne zur „Killeranwendung“ für Bluray werden, ist wohl nicht unbegründet, aber dies hieße im Umkehrschluß auch, daß Bluray in der bisherigen Form nicht so erfolgreich ist, wie behauptet. Mit Datenvolumen und Bitrate gibt es keine Probleme, obwohl man nominell doppelt so viele Bilder in der originalen Auflösung bereitstellen muß. Man kann aber Redundanzen ausnützen, und zwar nicht nur, wie auch jetzt schon bei der MPEG-Kompression, zwischen aufeinanderfolgenden Bildern, sondern auch zwischen dem linken und rechten Kanal. Dies reduziert Datenvolumen und Bitrate, maximal 60 MBit/s beträgt. Dieses weiterentwickelte Kodierungsformat heißt MVC und versteht sich als Variante des bekannten ITU-Standards H.264.
Die Untertitel und die Auswahlmenüs, beide fürs Heimkino sehr wichtig, müssen sorgfältig mit der Bildtiefe in Einklang gebracht werden. Es darf keine unschönen und unerwünschten Kollissionen geben, und natürlich möchte man auch eine möglichst automatische Plazierung erreichen. Hier kommt jene „Tiefenkarte“ wieder zum Einsatz, die man schon seit Jahren für bestimmte Verfahren stereoskopischer Kodierung in Erwägung gezogen und erprobt hat. Eine Tiefenkarte entsteht durch „Disparitätenanalyse“, also die Ermittlung der Ungleichheit zwischen dem linken und rechten Kanal beim selben Objektpunkt. Sobald man diesen Parameter kennt, kann man ihn auch regelnd beeinflussen, und es ist tatsächlich auch ein Entwicklungsziel, die Raumtiefe am Endgerät des Zuschauers regelbar zu machen.
3-D in Amerika und Europa
Dr. Hans Hoffmann, EBU, faßte in seinem Referat die in seinem Verband der europäischen Rundfunkanstalten eingelaufenen Erfahrungsberichte zusammen, ließ es sich aber nicht nehmen, auch einen mokanten Seitenblick auf die allzu illusionsbereiten Amerikaner zu werfen. Er zitierte eine Agenturmeldung vom 6.5.2010: „A white American woman who had a black baby claims she fell pregnant whilst watching a porn movie in 3D.“ Um diese virtuelle Befruchtung richtig einschätzen zu können, muß man wissen, daß der Gatte zu dieser Zeit Kriegsdienst im Irak tat.
Ob sich Bildraumtiefe auf Bauchraumtiefe auswirken kann, müßte wohl doch noch einmal untersucht werden. Hoffmann mahnte zumindest, sich die Auswirkungen von 3-D-Filmgenuß auf die Straßenverkehrstauglichkeit und auf Kinder näher anzuschauen.
In Europa wird man sich zweifellos rechtzeitig um die Unbedenklichkeit des 3-D-Fernsehens kümmern, aber damit wird es noch gute Weile haben. Nicht nur, daß die Ausstrahlungsnorm noch nicht fertig ist – die Sender sind erst noch mit der Umstellung auf HD beschäftigt und befürchten hohe Mehrkosten für die 3-D-Produktion. So äußerte sich ZDF-Produktionsdirektor Dr. Andreas Bereczky auf dem Symposium sehr reserviert zum Thema und machte klar, daß man sich auch nicht so bald damit befassen werde.
Foto: Screenshot Jackass §D / Verleih
>> Alle Artikel zum „Schwerpunkt 3D“ bei TechFieber