Hartmut Mehdorn gibt auf. Der schon seit Monaten umstrittenen Bahn-Chef wird wegen des Spitzelskandals bei der Deutschen Bahn AG zurücktreten. Der Vorstandschef bot heute bei der Vorstellung der Bahn-Jahresbilanz sein Amt an. Nach neun Jahren ist damit Schluß für Mehdorn an der Bahn-Spitze. Ein Nachfolger soll noch vor dem Sommer gefunden worden. Zuvor war der Druck auf den Bahn-Boss von Tag zu Tag immer größer geworden und zahlreiche Koalitionspolitiker auf Distanz zu ihm gegangen.
Von Einsehen jedoch keine Spur bei dem 66-Jährigen, der schon mal zum „unbeliebtesten Deutschen“ gekürt wurde: Er habe sich „nichts vorzuwerfen“, sagte Mehdorn bei der Bilanzpresskonferenz in Berlin. Außerdem schadeten die „zerstörerischen Debatten“ dem Unternehmen, dem Standort Deutschland und dem ganzen Land, so Mehdorn.
Nichts vorzuwerfen? Ähem, so etwas nennt man wohl Realitätsverlust.
Seit der Vorlage der Ergebnisse der Bahn-Sonderermittler und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG am Freitag ist bekannt, welche Ausmaße die Bespitzelung bei der Deutschen Bahn tatsächlich hatte: Danach soll die Deutsche Bahn AG über Jahre die E-Mail-Korrespondenz von 70.000 bis 80.000 Mitarbeitern systematisch gefiltert haben. Jeden Tag sollen das bis zu 145.000 E-Mails gewesen sein.
Unter anderem soll die Bahn auch während der Hochphase des Tarifstreits mit der Lokführer-Gewerkschaft GDL E-Mails mit Streikaufrufen gelöscht haben.
[Update] Als potenzielle Nachfolgekandidaten werden mittlerweile folgende Spitzenmanager gehandelt: Wilhelm Bender (Fraport), Andreas Meier (Chef der Schweizer Bundesbahn SBB) sowie Norbert Wendel (Chef der Bahn-Tochter Schenker).