Nokia überraschend erfolgreich, neuer Boss Stephen Elop macht Druck in Sachen Smartphone

Nokia bläst nach einem überraschend erfolgreichen Quartal zur Jagd auf Apple und die restliche Smartphone-Konkurrenz. Fünf Wochen nach dem Start des neuen Konzernchefs Stephen Elop (46) und unmittelbar nach der immer wieder verzögerten Auslieferung des neuen Spitzenmodells N8 konnten die Finnen am Donnerstag mit einer Gewinnsteigerung auf 322 Millionen Euro überzeugen.

Zwölf Monate zuvor war Nokia vor allem durch Wertberichtigungen mit 913 Millionen Euro ins Minus gerutscht, nachdem Apple mit seinem iPhone den Smartphone-Markt aufgerollt hatte.

Die Börse belohnte den Gewinnsprung mit einem Kursanstieg der Nokia-Aktie um 7,5 Prozent auf 8,32 Euro. Sie reagierte damit auch auf die Ankündigung des neuen Konzernchefs, von weltweit 128.000 Stellen 1.800 abbauen zu wollen. Microsoft-Manager Elop hatte den Finnen Olli-Pekka Kallasvuo als Nokia-Chef abgelöst, dem vor allem zur Last gelegt wurde, auf dem Smartphone-Markt den Anschluss an iPhone & Co verloren zu haben. Nokia ist zwar immer noch die Nummer eins auch bei den Computerhandys – der Marktanteil von einst mehr als 60 Prozent schmilzt jedoch rapide.

NEUER CHEF WILL NOKIA-ROLLE ÜBERDENKEN

Als ziemlich entscheidend für den kanadischen Nokia-Chef gilt nun der Erfolg des N8 mit dem neuen Betriebssystem Symbian 3.0. Elop kündigte bei der ersten Veröffentlichung einer Zwischenbilanz unter seiner Führung ein noch schnelleres Reformtempo bei Nokia an. Er sagte: „Wir müssen unsere Rolle und unseren Ansatz in der eigenen Branche neu überdenken.“ Elop machte sich bisher von außen geübte Kritik an Nokia zu eigen und verlangte ein „viel höheres Tempo bei der Umstellung auf die neue Marktsituation“. Das Unternehmen müsse wieder einen direkteren Kontakt mit dem finden, was die Käufer wünschten und schätzten.

«Was ich im dritten Quartal gelernt haben? Das wir uns auf breiter Front verbessern müssen», sagte der 46-jährige Kanadier am Donnerstag. Elop zählte trotz der an der Börse begeistert aufgenommenen Gewinnzahlen für den größten Handyhersteller gnadenlos als eigene Meinung auf, was Nokia seit Apples Siegeszug mit dem iPhone ab 2007 von außen vorgehalten wird: «Kritiker sagen, dass es bei Nokia einfach zu lange dauert, Sachen in Gang zu bekommen. Da müssen wir wirklich etwas tun.» Oder: «Unser fehlender Erfolg in Nordamerika ist ganz bestimmt kein Naturereignis.»

In fünf Wochen seit seinem Start in Espoo habe er «zugehört, gelernt, aber auch schon interagiert», meinte Elop. Und betonte ausdrücklich, er sehe den Aufsichtsrat geschlossen hinter sich, wenn er seinen Auftrag nun «auch aggressiv» anpacken will, Nokia im heftig umkämpften Smartphone-Markt wieder Respekt zu verschaffen. Zuletzt lästerte Apple-Chef Steve Jobs Anfang der Woche, Nokia sei gut als Hersteller von «50-Dollar-Handys».

Gnadenlos zählte Elop die selbstverschuldeten Stolpersteine der jüngsten Zeit auf, als sein finnischer Vorgänger Olli-Pekka Kallasvuo allein dreimal die Auslieferung des neuen Spitzenmodells N8 verschieben musste. «Dauernde Lieferengpässe bei Komponenten wie Kameras und Displays haben uns enorm Marktanteile gekostet.»

SINKENDER MARKTANTEIL

Der Quartalsumsatz stieg um fünf Prozent auf 10,3 Milliarden Euro. Insgesamt setzte Nokia im dritten Quartal 110,4 Millionen Handys ab und damit zehn Prozent mehr als im zweiten Vierteljahr. Bei den Smartphones konnten die Finnen ihren Absatz von Quartal zu Quartal um zehn Prozent und im Jahresvergleich sogar um 61 Prozent auf 26,5 Millionen Einheiten steigern. Der Durchschnittspreis eines Nokia- Handys – lange unter Druck – stieg im Jahresvergleich von 64 auf 65 Euro.

Für den gesamten Jahresverlauf erwartet Nokia einen leichten Rückgang des eigenen Anteils am gesamten Handy-Markt. Er lag zuletzt bei 30 Prozent – allerdings ist er nicht direkt mit den Angaben früherer Jahre vergleichbar, da Nokia zwischenzeitlich die Berechnungsgrundlage für die Datenerhebung verändert hat. Den revidierten Vorjahres- Marktanteil gibt Nokia mit 34 Prozent an.

Bei Smartphones fiel der Marktanteil von 41 Prozent im zweiten Quartal auf 38 Prozent im dritten. Hier gilt Nokia vor allem als stark bei den weniger gewinnträchtigen Modellen der unteren Preisklassen. Apple dagegen erwirtschaftet seine Rekordgewinne mit dem „Premium“-Produkt iPhone. Das fast chronisch mit Verlusten arbeitende Tochterunternehmen Nokia Siemens Networks (NSN) konnte sein operatives Minus im dritten Quartal im Jahresvergleich von 1,1 Milliarden auf 282 Millionen Euro vermindern.

[Photo: dpa]

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