Hart wie Zement war die Schicht aus Betonstaub, die sich um die Computerfestplatten gelegt hatte. Geheim waren die auf den Festplatten gespeicherten Daten. Sie stammten von Firmen aus dem am 11. September 2001 zerstörten World Trade Center in New York.

Per Flugzeug wurden sie aus den USA nach Ramstein und danach mit einem Spezialtransporter in das westpfälzische Pirmasens gebracht. Wochenlang versuchten dort drei Spezialisten der Firma Convar, die Daten auf den verkrusteten Festplatten zu retten. In Pirmasens befindet sich das einzige europäische Datenrettungscenter der englischen Unternehmensgruppe Convar mit den allerhöchsten Sicherheitsstandards.

«Die Festplatten waren so starkem Druck und extremer Hitze ausgesetzt, dass spezielle Verfahren zur Rekonstruierung notwendig waren, die man bisher noch nicht kannte», sagt der Europa-Manager von Convar, Ralph Hensel, der die europäischen Standorte koordiniert. Rekonstruktionstechniken für verbrannte oder ins Wasser gefallene Festplatten seien bekannt gewesen, aber bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Technik für Festplatten, die zuerst aus Beton gemeißelt werden müssen. Ein einzigartiger Fall für die Firma auf dem Gelände einer ehemaligen US-Kaserne am Rande von Pirmasens.

Um die sensiblen und geheimen Daten bearbeiten zu können, bedarf es am Standort Pirmasens größter Sicherheit: Spezielle biometrische Zugangskontrollsysteme sorgen dafür, dass im Datenrettungscenter nur Mitarbeiter der entsprechenden Abteilung Zugang haben. Zudem überwachen 60 Kameras permanent den rund 2500 Quadratmeter großen Datenrettungs-Sicherheitskomplex. Explosionsgeschützte Mauern, feuergeschützte Safeanlagen zur Lagerung der Festplatten und Metalldetektoren am Eingang schützen vor Eindringlingen.

Die 15 Datenretter, darunter Informatiker, System-IT-Elektroniker oder Mechatroniker, arbeiten im Schichtbetrieb 24 Stunden pro Tag – sieben Tage in der Woche. Sie retten nicht nur verloren geglaubte Daten von Unternehmen, sondern auch die von Privatpersonen oder unterstützen Ermittler bei der Aufklärung von Straftaten. Hinter jedem Datenverlust verbirgt sich für die Betroffenen oft ein kleines oder großes Drama. «Vom Familienvater, der Fotoaufnahmen von der kleinen Tochter durch den Datencrash verloren hat bis zu Firmen, die keine Sicherheitskopien fertigten, war schon alles dabei», sagt Hensel.

Per Spezialtransport auf der Straße oder mit dem Hubschrauber werden die Datenträger nach Pirmasens geliefert. «Zuerst führt das Diagnoseteam eine Erstanalyse durch und bewertet den entstandenen Schaden», erläutert Hensel. Danach werden die Festplatten in Reinraumanlagen bearbeitet, um zusätzliche Schädigungen durch Schmutzpartikel auszuschließen.

«Die Räume sind mit Überdrucksystemen ausgestattet, durch die Schmutzpartikel nach unten gedrückt werden, am Boden bleiben und von dort aus nach außen gesaugt werden», erläutert der 49-Jährige. Darin sezieren die Datenretter mit Handschuhen, Mundschutz, Schraubenziehern und Zahnarztwerkzeug wie Chirurgen die Datenträger.

Wegen des in der Westpfalz angesiedelten US-Militärs, das zur Hauptkundschaft von Convar gehört, entschied sich die Unternehmensgruppe für den Standort Pirmasens als deutsche Niederlassung. Als sich die Streitkräfte aus Deutschland zurückzogen, blieb der Standort bestehen. «Wenn man den deutschen Markt mitbetreuen möchte, haben Regionen wie Pirmasens klare Vorteile», sagt Hensel. Das Lohnniveau sei niedriger als in Ballungsgebieten wie München oder Frankfurt, ebenso seien die Grundstückskosten und die Gebäudetechnik wesentlich günstiger.

Rund 400 Datenrettungen werden pro Monat bei Convar in Pirmasens abgewickelt. Alle Daten können jedoch nicht gerettet werden. «Wenn die Magnetbeschichtung beschädigt oder ganz weg ist, kann man nichts mehr machen», sagt Hensel. So auch im Fall des World Trade Center: «Alle Daten konnten wir nicht retten, manchmal stoßen auch wir an technische Grenzen.» ddp/dri/mbr