fake amok ankündigung winnendenFake-Amok-Ankündigung im Internet: Der angebliche Ermittlungserfolg erwies sich als Falschinformation: Tim K. hat den Amoklauf nicht von seinem PC aus in einem Chat-Forum angekündigt. Die Polizei weist den Vorwurf einer Panne allerdings zurück und verteidigt Baden-Württembergs Innenminister Rech. Der CDU-Politiker, der gestern auf einer Pressekonferenz in Waiblingen zum Amoklauf einen Ermittlungserfolg präsentieren wollte, steht unter massiver Kritik, vor allem seitens der Südwest-SPD.

Fest steht jetzt definitiv: Der Täter von Winnenden hat seine Tat doch nicht im Internet angekündigt, das angebliche Beweisbild war wohl gefälscht. Wer hinter der perfiden Fälschungstat steckt, ist bislang unbekannt.

Wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger heute in Winnenden sagte, werden Ermittler noch mindestens zwei Tage brauchen, um den angeblichen Chat-Eintrag des Amokläufers Tim K. zu prüfen.

Entgegen anderslautenden Aussagen von Innenminister Resch gestern bei einer Pressekonferenz mussten die Behörden inzwischen einräumen, dass es doch keine Beweise dafür gibt, dass Tim K. seine Bluttat vorab im Web ankündigte. Resch hatte auch versichert, dass Beweise hierfür auf Tims Computer gefunden worden seien. Dies ist jedoch nicht der Fall, die Polizei hat keine entsprechenden Daten auf dem PC des 17-jährigen Amokäufers gefunden.

Allerdings soll die Polizei nun noch prüfen, ob Tim K. die Chat-Meldung auf einen Laptop oder von einem anderen PC verfasst haben könnte.

Die baden-würrtembergische Polizei hat nichtsdestotrotz den Vorwurf von Ermittlungspannen zurückgewiesen. Die Untersuchungen zu den Hintergründen der Tat seien ein „dynamischer Prozess“, so eine Polizeisprecherin heute in Waiblingen. Bei Vorkommnissen dieser Art überschlügen sich schließlich die Ereignisse und man betreibe eine sehr schnelle Pressearbeit und könne Ergebnisse vor Bekanntgabe nicht minutiös überprüfen.

Baden-Württembergs Innenminister Rech hatte erstmals heute Nacht eingeräumt, dass den Ermittlungsbehörden ein peinlicher Ermittlungsfehler unterlaufen ist: “Irgendein Verrückter hat wohl eine schlimme Falschmeldung in die Welt gesetzt”, sagte Rech der “Süddeutschen Zeitung”.

Vertreter der Südwest-SPD rügten die Ermittlungspanne als „peinlich“. SPD- Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel kritisierte Rech scharf, denn die Kommunikation zwischen den Schulen nach dem Amoklauf habe nicht richtig funktioniert. In der Tat herrschte am Morgen des 11. März auch in Schulen in benachbarten Orten lange Zeit Chaos – während einige Schulleiter ihre Kinder nach Hause geschickt hatten, ließen andere ihre Schulkinder in den Klassenzimmern einschließen.

Im “Tagesspiegel” sagte Claudia Krauth, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart, dass man fest davon ausgegangen sei, der Chat-Eintrag stimme, “weil wir ihn auf dem Computer des Amokläufers gefunden haben”, so Krauth. Nun stehe man wieder am Anfang und sei “wie vor den Kopf gestoßen”.

Jetzt müsse in Ruhe geprüft werden, was es mit dem Eintrag auf sich habe. Auch mit dem bayerischen Jungen und seinem Vater, der den Eintrag publik gemacht hatte, müsse nun erneut gesprochen werden. “Unsere Experten sitzen daran, noch sind viele Fragen offen.”

[UPDATE] Zwischenzeitlich hat auch das baden-württembergische Innenministerium auf die Vorwürfe reagiert: In einer Presseerklärung des Ministeriums am Freitag verbat sich Heribert Rech Kritik an seinem Auftritt bei der gestrigen Pressekonferenz zum Amoklauf in Winnenden. Am Donnerstagmittag seien „die Ermittlungsbehörden aufgrund der aus Nordrhein-Westfalen und Bayern übermittelten Informationen davon überzeugt gewesen, dass der Täter seinen Amoklauf im Internet angekündigt habe“, so die Presseerklärung des Ministeriums.

„Da der mögliche Internet-Chat schon vor der Pressekonferenz zahlreichen Medien bekannt war, hatten wir die Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit, über diesen Ermittlungsstand zu berichten. Man hätte uns sonst zu Recht vorgeworfen, wichtige und die Menschen bewegende Informationen zurückzuhalten“, argumentierte Rech.

Sollten sich die Zweifel an der Echtheit des Chateintrags bestätigen, „müssen wir uns sorgfältig mit den Konsequenzen auseinandersetzen“, erklärte der Minister weiter: „Es kann und darf nicht sein, dass auf so skrupellose und menschenverachtende Weise die Gefühle der trauernden Angehörigen mit Füßen getreten werden. Wenn sich das alles bewahrheitet, kann ich darauf nur mit Abscheu reagieren.“

Mit Blick auf Kritik der SPD im Landtag erklärte Rech, es sei beschämend, von einer peinlichen Panne zu sprechen. Baden-Württemberg trauere und wolle sich in Würde von den Opfern verabschieden.

Polizeisprecher Klaus Hinderer zufolge könne nur der Betreiber des Servers in den USA mit Sicherheit sagen, wer, was und ob etwas ins Netz eingestellt worden sei. Die Polizei hoffte im Laufe des Freitags auf Klarheit, ob die Ankündigung von dem 17-jährigen Tim K. stammt oder nicht. Die deutschen Ermittler baten laut Hinderer die US-Behörden noch am Donnerstag, alle relevanten Daten auf dem Server der Firma zu besorgen. Dazu zählen Uhrzeit und Datum des angeblichen Eintrags und vor allem die so genannte IP-Adresse, mit deren Hilfe der Weg der umstrittenen Botschaft nach Deutschland zurückverfolgt werden kann.

In der Szene wird am Freitag über den fragwürdigen Coup jubiliert. „Der Fall wird als epischer Gewinn gefeiert, weil er eine solche große Resonanz ausgelöst hat“, sagt ein Informant der Nachrichtenagentur DPA. Man mache sich bei Portalen wie krautchan.net lustig über Medien, die den in dem Beitrag angesprochenen «Bernd» als Freund des Amokläufers bezeichnet hatten. Als „Bernd“ werde in dem Forum jeder Nutzer bezeichnet, der sich anonym anmeldet. „Wir reden uns alle mit Bernd an, um die Anonymität zu wahren“, so die DPA-Quelle.

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