Peinlicher Ermittlungsfehler: Baden-Württembergs Innenminister Rech steht in der Kritik: Am Donnerstag Mittag verlas Rech bei einer Pressekonferenz das Protokoll eines am frühen Dienstagmorgen geführten Internet-Chats zwischen Tim K. und einem gewissen Bernd aus Bayern. In diesem Chat soll Tim seinen Amoklauf angekündigt haben.
Allerdings bestreitet nun der Betreiber der betreffenden Chat-Seite krautchan.net dies und behauptet, man sei einer Fälschung aufgesessen.
Zitat: „Hier wurde kein Amoklauf angekündigt, es gibt hier nur Leute, die mit Photoshop umgehen können“ (siehe unten sowie Screenshot unten). Der Eintrag soll also nach dem Amoklauf per Fotomontage erstellt worden sein. Auch die Aussage Rechs nach der Pressekonferenz, dass Ermittler auch entsprechende Hinweise auf Tim K.s Computer gefunden hätten, dementieren die krautchan.net-Betreiber. Den zitierten Beitrag habe der Amokläufer „nicht verfasst, denn der hat nie existiert“.
Zu der angegebenen Uhrzeit sei ein komplett anderer Eintrag erstellt worden, den krautchan.net auf einem verlinkten Screenshot (siehe Bild oben) präsentiert und der „absolut nichts mit Amokläufen zu tun hat“.
Wie auch ein Sprecher der Polizei Waiblingen am Donnerstagabend laut DPA sagte, gebe es derzeit keinen Beweis, dass Tim K. diesen Eintrag selbst verfasst habe.
[UPDATE] Nach Informationen des SPIEGEL befanden sich auf dem Computer des Amokläufers keinerlei Spuren, dass K. jemals auf der Webseite von krautchan.net war, wie es Rech in einer Pressekonferenz am Mittag behauptet hat.
Mit der Ankündigung des Terrorakts wäre Tim K. dem Muster der meisten anderen Amokläufe in den USA sowie auch in Deutschland gefolgt: Ob bei der Schießerei an der Columbine-Highschool in Littleton (Colorado), in Springfield (Oregon) an der Virginia Tech Univerität oder in Erfurt, die Täter hatten jeweils vor der Tat damit geprahlt, einen Amoklauf durchführen zu wollen.
Baden-Württembergs Innenminister Rech hatte am Donnerstag bei der Pressekonferenz in Waiblingen, gut zehn Kilometer vom Unglücksort Winnenden entfernt, das Protokol des anscheinenden Chats, der genau 2.46 Uhr in der Nacht zum Mittwoch stattgefunden haben soll, vorgelesen:
“Scheiße Bernd, es reicht mir. Ich habe dieses Lotterleben satt, immer das selbe – alle lachen mich aus, niemand erkennt mein Potential. Ich meine es ernst Bernd – ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen. Vielleicht komme ich ja auch davon. Haltet die Ohren offen, Bernds, Ihr werdet morgen von mir hören. Merkt euch nur den Name des Orts: Winnenden. Und jetzt keine Meldung an die Polizei, keine Angst, ich trolle nur”, schränkte er die Drohung ein.
Tim K.’s vermeintlicher Gesprächpartner, sei ein ebenfalls 17-Jähriger aus Bayern gewesen, und hätte auf die Ausführungen von Tim mit *LOL* reagiert – der in Internet-Chats gängigen Abkürzung für herzliches Gelächter. Der Chatpartner soll dann das Gespräch seinen Eltern offenbart haben, nachdem er von der Tat erfuhr.
Rech zufolge bekam die Polizei den Hinweis auf den Internet-Chat vom Vater eines Jugendlichen aus Bayern. Außerdem hätten Ermittler entsprechende Daten auf dem Heim-Ccomputer des Amokläufers gefunden. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart schloss sich dieser Aussage an.
[UPADTE 2] Mittlerweile teilte die zuständige Polizei Waiblingen und die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit, dass derzeit Zeugen vernommen würden, die den Chat-Eintrag gesehen haben wollen. Entscheidend sei, wann genau sie ihn gesehen hätten, sagte ein Polizeisprecher. Die Behörden haben nach eigenen Angaben außerdem eine Anfrage bei dem Betreiber der Servers in den USA veranlasst. Dadurch könnte womöglich geklärt werden, wann der Eintrag auf der Seite verfasst wurde.
Die Seite des Internet-Anbieters ist inzwischen unter der Last tausender Zugriffe eingeknickt. Auf der Startseite ist zu lesen:
Leider wird unser winziger Server mit dem momentanen Ansturm nicht fertig. Es gibt allerdings auch gar nichts zu sehen, da die deutsche Presse sich bedauerlicherweise (vermutlich nicht zum ersten Mal) von einer Fälschung hat täuschen lassen.
Hier wurde kein Amoklauf angekündigt, es gibt hier nur Leute, die mit Photoshop umgehen können.
Scheinbar ist recherchieren heutzutage uncool. Schlimm genug, bei Wikipedia abzuschreiben, aber hier? Grundgütiger.
Was man übrigens auf dem PC des Täters gefunden haben will, wissen wir nicht. Vielleicht hat er die Site mal besucht, den durch die Presse gegangenen Beitrag hat er jedenfalls nicht verfasst, denn der hat nie existiert.
(Hier ist ein Screenshot des ziemlich unspektakulären Originals, das absolut nichts mit Amokläufen zu tun hat.)
Wie dem auch sei, wir sind offline, bis der Traffic sich normalisiert hat.
Wer uns immer noch nicht glaubt, kann mal in den Google Cache schauen, und die Post-ID vergleichen.
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