Sprossen könnten die Ursache der schweren EHEC-Erkrankungen sein. Bei Auswertungen sei ein Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und einem Gartenbaubetrieb im niedersächsischen Bienenbüttel (Landkreis Uelzen) produzierten Sprossen worden, sagte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) am Sonntag in Hannover. Die aus 19 verschiedenen Saatgutarten gezogenen Sprossen seien an Restaurants und Kantinen sowie Reformhäuser und Wochenmärkte geliefert worden. Nach ersten Erkenntnissen waren sie aber nicht im weiteren Einzelhandel erhältlich.

Der CDU-Politiker warnte ausdrücklich vor dem Verzehr jeglicher Sprossenarten. Der Betrieb im Landkreis Uelzen sei seit Sonntag gesperrt. Dass sich ausgelieferte Ware noch im Handel befindet, wollte Lindemann nicht ausschließen. Die Ware sei jedoch zurückgerufen worden. Hauptverdächtig für die EHEC-Ausbreitung sei die «Milde Sprossenmischung» des Herstellers.

«Sehr deutliche Spur»

Bislang stützen sich die Untersuchungsergebnisse lediglich auf die Handelswege. Dennoch sei man sicher, dass man eine «sehr deutliche Spur zu der Infektionsquelle» habe. «Der Ablauf des Geschehens belegt sehr, sehr nachdrücklich, dass die Sprossen eine sehr, sehr eindeutige Quelle des Erregers sein dürften», sagte Lindemann.

Die ersten sechs größeren Ausbrüche des EHEC-Erregers lassen sich nach Angaben des niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz (LAVES) auf Lieferungen des Sprossenherstellers zurückführen. Nach Angaben des Amtes wurden drei Kantinen in Hessen und Nordrhein-Westfalen und drei Gastronomie-Betriebe in Niedersachsen und Schleswig-Holstein über Zwischenhändler von dem Gartenbaubetrieb in Bienenbüttel im Landkreis Uelzen beliefert. Der Betrieb habe seine Sprossen auch über Wochenmärkte und Reformhäuser vertrieben. Hier habe man bei Kunden aber noch keine Erkrankungen nachgewiesen.

Labortechnisch ist der Erreger in den Sprossen noch nicht nachgewiesen, wie es hieß. Ein erstes Untersuchungsergebnis erwartet Lindemann für Montagvormittag.

Mitarbeiterin an EHEC erkrankt

Die Sprossen würden in dem Betrieb in 38 Grad heißem Wasserdampf erzeugt. Dies seien auch für die Vermehrung des EHEC-Erregers «optimale Bedingungen», sagte Lindemann. Der Erreger könne auch schon mit dem Saatgut importiert worden sein, aus dem die Sprossen erzeugt würden. Allerdings habe man auch bei einer Mitarbeiterin des Betriebes eine EHEC-Erkrankung nachgewiesen. Eine weitere Mitarbeiterin sei ebenfalls an Durchfall erkrankt.

Die Länder, aus denen der Betrieb Saatgut importiert, wollte Lindemann nicht nennen. «Sie sind uns bekannt. Wir sind allerdings vom Bund gebeten worden, diese nicht zu nennen, um keine internationale Kampagne zu starten.»

Sprossen waren bereits in Japan 1996 im Zusammenhang mit EHEC-Erkrankungen in Verdacht geraten. Eine endgültige Bestätigung des Verdachtes habe sich aber nicht ergeben, sagte Michael Kühne vom LAVES. Eine Erkrankungswelle durch Sprossen in Europa sei dem LAVES nicht bekannt, betonte er.

Laut Lindemann wurden zu Beginn der Erkrankungswelle auch Sprossen als mögliche Ursache bereits untersucht. «Dann aber gab es eine Verengung auf drei Gemüsesorten», sagte er mit Blick auf die Warnung vor Gurken, Tomaten und Salat. Bei insgesamt 500 Proben dieser Gemüsesorten sei bislang kein EHEC-Erreger durch das niedersächsische Landesamt nachgewiesen worden. Dennoch wollte Lindemann am Sonntag auch die Verzehrwarnung vor Tomaten, Gurken und Salat nicht aufheben.

Der Geschäftsführer des betroffenen Betriebs, Klaus Verbeck, sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Montagausgabe), er könne sich keinen Reim auf die Vorwürfe gegen seine Produkte machen. Die Salatsprossen wüchsen nur aus Saatgut und Wasser und würden überhaupt nicht gedüngt. Auch in anderen Geschäftsbereichen des Hofes werde kein tierischer Dünger verwendet, nicht einmal Hornmehl, sagte Verbeck der Zeitung.

Sowohl Proben, die in den vergangenen zwei Wochen im eigenen Auftrag untersucht worden seien, als auch Untersuchungen der Lebensmittelüberwachung hätten bislang keine EHEC-Belastung seiner Produkte ergeben, sagte der Firmenchef laut Zeitung weiter.

Inzwischen werden 21 Todesfälle mit EHEC in Verbindung gebracht. Bundesweit sind mehr als 1.500 EHEC-Fälle und 620 HUS-Fälle gemeldet worden.


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